Montag, 6. August 2007

Das ganze Praktikum ist ein Quiz

Zehn nach sechs klingelt an diesem Morgen mein Wecker. Ich komme kaum aus dem Bett. Die Augen rot, darunter dicke Ringe, so stellt man sich den Start in die Woche vor. Aber ich bin guter Dinge, habe ich doch heute meinen ersten Tag in der „richtigen“ Redaktion, nachdem ich letzte Woche erfolgreich um Versetzung gebeten hatte.
Kurz nach acht bin ich auf dem SR-Berg, 50 Minuten zu früh. Aber ich soll unbedingt Punkt neun zur Konferenz da sein, also hieß es, den früheren Bus zu nehmen.
Also erstmal Kaffee in der Kantine und SZ lesen.
9 Uhr: Konferenz. Außer mir drei Redakteure und ein Chef. Chef: „Achja, das hier (zeigt auf mich) ist übrigens eine neue Praktikantin, die eigentlich keine Praktikantin ist (ich horche auf). Eigentlich ist die drüben in der Nachrichtenredaktion, aber sie wollte auch mal einen Beitrag machen“. Aha.
9.05 Uhr: Die Konferenz ist beendet. Hat sich total gelohnt.
Der CvD weist mir einen Platz zu und kommentiert: „Wir haben ab heute ein neues Redaktionssystem, deshalb sind wir alle nervös und haben ÜBERHAUPT KEINE Zeit. Du musst dich heute also in Geduld üben“. Yup. Meine größte Stärke.
Also sitze ich rum. Und sitze. Und sitze. Mache ein Sozialwissen-Quiz bei sueddeutsche.de. Über Arbeitslosen- und Krankenversicherung.
Mir gegenüber der legendäre Redakteur, mit dem die Buchholzianer schon mal ein Telefongespräch hatten. Guckt mich an: „Ah, Sie sind die Frau mit dem Eis in der Kantine“. Ich: „Ja, manche nennen mich auch Anja Koch. Bin ab heute hier Praktikantin und nicht mehr in der Nachrichtenredaktion“. Er: „Das ist gut, bei uns ist es viel geiler!“. Gleich noch Grüße vom Buchholz bestellen und übers Seminar lästern.
Dann wieder sitzen. Und sitzen. Alle Zeitungen lesen. Und sitzen.
12 Uhr: Ich beginne zu zweifeln. Wozu habe ich mir am Wochenende schon die vielen guten Themen überlegt, wenn ich sie jetzt nicht mal vorschlagen darf??
Die andere Praktikantin will den CvD kurz was fragen „Nee, das geht heute auf keinen Fall, wir sind so gestresst, dass wir heute keine Fragen beantworten können“. Das lässt hoffen.
Auf meinem Handy drei Anrufe in Abwesenheit. Ich werde nervös. Anrufe um diese Uhrzeit – das kann nur die Redaktion meines Arbeitgebers sein, die mich zusammen scheißt, was ich am Wochenende für Mist zusammengeschrieben habe. Dann klingelt es wieder. Total schlechte Verbindung, so stelle ich mir einen Anruf aus Kasachstan vor. „Ja hallo, hier ist der Saarländische Rundfunk“. Ich beginne zu zweifeln: Wenn mich der Saarländische Rundfunk auf dem Handy anruft – wo befinde ich mich dann momentan?? Schnell noch mal umgeschaut. Doch, sieht aus wie die SR-Redaktion. „Hier ist das Sekretariat“. Ich soll für auswärtige Termine ein Auto bekommen. Prima, denk ich mir, ich hasse Auto fahren. Fast so sehr wie zum Arzt zu gehen. „Ach ja Frau Koch, vorher müssen Sie aber noch zu unserem Betriebsarzt und sich bescheinigen lassen, dass Sie fahrtauglich sind“.
13.30 Uhr: Ich sitze wieder. Und sitze. Und sitze.
Drei Reihen weiter vorne sind zwei Computer ausgefallen. Die Redakteure fluchen, der Techniker rennt wild hin und her.
15 Uhr: Ich sitze immer noch. Wusstet ihr, dass Sarah Jessica Parker alias Cary Bradshaw wegen ihrer Stilettos kaputte Knie hat?
15.30 Uhr: Wir dürfen los eine Umfrage machen.
Schade, der nächste Bus kommt erst in ner halben Stunde. Die andere Praktikantin hat ne tolle Idee: Wir trampen. Zehn Minuten später befragen wir Passanten zum Thema Taschengeld (läuft morgen Vormittag, wer sichs geben will). Zurück funktioniert das Trampen nicht, nur doofe Franzosen, die ignorant an uns vorbeifahren. Also den Berg bei 30 Grad wieder hochklettern.
17 Uhr: Die Umfrage schneiden. Die Praktikantin weiß, wies geht. Hat ihr die letzte Praktikantin gezeigt. Und die wusste es von der davor, und die….
17.45 Uhr: Brauchbare Antworten sind zusammen geschnitten. Alles andere macht der Redakteur selbst, weil er selbst noch nicht so genau weiß, was er will.

Vielleicht wäre die PR-Branche doch eine dauerhafte Lösung….

3 Kommentare:

ausland: hoffmann hat gesagt…

Ich bewundere deinen Idealismus! Als Praktikant im Journalismus hat man es doch wahrlich nicht leicht ...

imprimator:imort hat gesagt…

Kannst du vielleicht in deinem nächsten Post schreiben, wie toll das Team, die Stadt und die Arbeit ist? Sonst verfalle ich mit Blick auf Februar 2008 in ernstzunehmende Präpraktikumsdepressionen.

Ist es wirklich so schlimm?

korrektur: koch hat gesagt…

Ach, das war natürlich rücksichtslos von mir, hatte ganz vergessen, dass Du da auch bald bist. Ich werde mich bemühen, freundlichere Sachen zu schreiben, allerdings muss es natürlich mit dem Pressekodex vereinbar sein und darf nicht die journalistische Sorgfaltspflicht verletzen ;-)
Ich glaube, es wird langsam besser, aber nur sehr langsam!