Dienstag, 31. Juli 2007

Fotoalben aus Plüsch

Endlich mal wieder acht Stunden am Stück geschlafen, der Tag kann kommen. Frohen Mutes stapfe ich aus meiner 120qm-Altbauwohnung zu einer Bahn, die hier S-Bahn genannt wird, allerdings gerade so als Straßenbahn durchgehen kann. Leider kommt keine Bahn. Ich werde nervös, denke an meinen Bus, der nur einmal in der Stunde fährt. Sehe mich schon am zweiten Praktikumstag zu spät kommen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt die Bahn, ich erreiche eine Minute zu spät die Bushaltestelle. Stehe nervös rum, neben mir eine junge Frau mit Metallkoffer, dadrauf klebt ein SR-Aufkleber. Eine verbündete also im Kampf gegen miese Busfahrzeiten. Sie will wissen, ob der Bus schon weg ist, ich erkläre meine Lage. Nach einigem Tamtam stellt sich heraus: Sie ist Praktikantin, bei SR3, macht Beiträge – sie hat meinen Job! Genau das, was ich wollte. Mithilfe ausgeklügelter, investigativer Recherchetechniken finde ich heraus: In der Redaktion gibt es eine zweite Praktikantin, die hört Ende dieser Woche auf, es folgt keine neue. Ich beschließe: Ich will die Neue werden.
Dann kommt der Bus, Gott sei Dank. Mit nur 10 Minuten Verspätung erreiche ich die geliebte Nachrichtenredaktion. In der Welt wieder nüscht los. Trotzdem jede Stunde fünf Minuten Nachrichten. Ich darf Meldungen schreiben, sogar bis zu zwei Stück die Stunde (jede Sendung hat nur so um die 7 Meldungen). Also schreibe ich, lese Agenturen, arbeite die Verbesserungsvorschläge der Redakteure ein.
Weil die Redakteure selbst nicht wissen, über was sie berichten sollen, darf ich Themenvorschläge machen. Ich durchforste die Agenturen und finde spannende Sachen, wie „Fotoalben jetzt auch aus Plüsch“. Klasse. Das interessiert den durchschnittlichen Hörer der Saarlandwelle bestimmt. Der ist ja nur so um die 67 Jahre alt.
Also schreibe ich über die Waldbrände, gefühlte 300 Mal. Schließlich will man jede Stunde was Neues melden, auch dann, wenns nix Neues gibt. Ich darf fünf vor vier noch die Eilmeldung verwursten, dass Sinkewitz gestanden hat.
Außerdem:
Kinderkommission will Kinderrechte in Grundgesetz verankern.
Lokführer streiken frühestens ab Mittwoch wieder.
Dimas fordert EU-Feuerwehr.
Regisseur Antonioni gestorben.
Internationales Gericht beginnt mit Aufarbeitung des Völkermords der Roten Khmer.
Wir wussten es ja schon immer: Kambodscha ist Dreck.

Fernziel statt Lernziel

.
Hurra, ich bin zurück im öffentlich-rechtlichen Schoß. Alles kann, nichts muss. Wenn die Sonne so schön scheint wie heute, dann gehe ich halt um vier.

Dafür muss ich auch am Wochenende schuften. Am Sonntag geht es per ICE nach Hannover, genauer: Havelse. DFB-Pokal. Danach schick ins Hotel und am Montag wieder zurück nach Mantei. Hach, Stress! Schlimm, schlimm.

Entschuldigt, mehr kann ich nicht berichten, ich bin zu ermattet und muss mich auf morgen vorbereiten. Dann geht es nach Worms, der versoffene Zeugwart der Wormatia wartet.

MR

Montag, 30. Juli 2007

Keine Erwartungen können nicht enttäuscht werden

... bloß gut, dass ich keine hatte.

„Dann kommen Sie Montag um neun und wir werden sehen, wie wir Sie beschäftigen.“ Das fing ja gut an. Und irgendwie auch typisch. Dennoch war ich nicht pessimistisch. Praktikum in der Pressestelle einer Bank – das kann ja so schlimm nicht sein. Und wer weiß, ob wir nicht irgendwann doch im Bereich PR landen werden?

9:05 Uhr. Der Pförtner: „Wie? Sind Sie sicher, dass Sie zu Frau Schuch und nicht zu Frau Droll wollen?“ Mir war gesagt worden, ich solle mich bei Frau Schuch melden. „Gut. Setzen Sie sich. Frau Schuch holt Sie ab.“ Frau Schuch holte mich ab. Zwei Stockwerke hinauf. „Na, da kann ich Sie gleich mal vorstellen: Frau A., Frau B., Frau C., Herr D. Frau F. ist im Urlaub, Frau G. auch.“ Ebenso wie Herr Pitzer, der Chef der Abteilung „Corporate Communications“. „Und das hier ist Frau Schmidt. Frau Schmidt, unsere Praktikantin, ich lasse sie gleich mal bei Ihnen.“ Frau Schmidt ist blond, 33 und nett. Das übliche Geplänkel. Was sie macht, was ich mache, was das Unternehmen macht. „Ja, einen PC-Zugang haben Sie ja noch nicht. Da können Sie eigentlich nicht viel machen.“ Das was ich dann mache ist, die aktuelle Mitarbeiterzeitschrift zu lesen. Und die Mitarbeiterzeitschrift, die vor dieser erschienen ist und die, die davor erschienen ist. Dann lese ich die Auswertung einer Umfrage zur Mitarbeiterzeitschrift. Und dann lese ich die Mitarbeiterzeitschrift der Landesbank Baden-Württemberg (die Landesbank Rheinland-Pfalz ist zu 100% ihre Tochter). „Kennen Sie eigentlich unseren Geschäftsbericht?“ Ich verneine. Und lese auch diesen. „Ich habe Ihnen mal ausgedruckt, was unsere studentischen Hilfskräfte als heutige Pressetexte zusammengestellt haben.“ Ich lese auch das: Es geht um die WestLB und um die WestLB und um die WestLB – die möglicherweise von der Landesbank Baden-Württemberg übernommen werden wird. Und es geht um die Bundesbank und um die Börse in Japan und um Dax-Unternehmen. Ächz. Und dann bleibt auch noch genügend Zeit, die Süddeutsche so intensiv zu lesen, wie man sonst nie dazu kommt.

Halb fünf bin ich entlassen. „Es hat ja keinen Sinn, dass Sie noch länger hier bleiben.“ Ein PC-Passwort habe ich immer noch nicht. „Die haben einen Serverausfall in der Personalabteilung. Und ohne Personalnummer kann ich für Sie kein Passwort beantragen. Aber kommen Sie morgen mal Viertel nach 8. Da können Sie dann unseren studentischen Hilfskräften beim Zusammenstellen des Pressespiegels zuschauen.“

Ein Lernziel wurde nicht definiert.

Ich han's dir do gesaat...

Korrektur: koch wurde abkommandiert ins abgelegenste Bundesland dieser Nation: Das Saarland.
Vom Zonenkind zum Zonenpraktikanten… Alle Schilder und Wegweiser sind vorsichtshalber auf Französisch übersetzt, schließlich lebte man ja mal unter deren Regiment.
Noch abgeschiedener als das Saarland ist eigentlich nur eins: Der Saarländische Rundfunk. Die Damen und Herren der Anstalt haben es sich auf einem Berg gemütlich eingerichtet, der Intendant residiert, wie es sich gebührt, in einem Schloss. Doof nur, dass die Busse dorthin nur einmal in der Stunde fahren – Verschlafen is nich.
An meinem ersten Tag war ich also gute 45 Minuten zu früh. Auf zum Chef meiner Redaktion. „Was hatte mich noch mal dazu bewegt, Ihnen ein Praktikum zu geben, welche außergewöhnlichen Fähigkeiten haben Sie?“. „Äh, Herr Buchholz hat sie dazu bewegt?“. „Achja, der Herr Buchholz, der Meister himself.“
Dann wird mir erklärt, dass ich in der Nachrichtenredaktion bin – die nichts anderes macht als Meldungen der Agenturen n bissl umschreiben, damit sie besser gelesen werden können – also genau das, was wir bei Buchholz das ganze Semester nicht gemacht haben….
Kein einziger Beitrag wird dort gemacht, die Redakteure kommen nie aus ihrem Büro raus. Scheißegal, wie deren Stimmte klingt. Meine Stimmung sinkt… „Das Lernziel sollte sein, dass Sie nach den fünf Wochen hier Nachrichten schreiben können“, sagt der Chef. Genau, dafür investiere ich mein Geld und meine Zeit….
Dann gibt’s noch eine kleine Predigt über die Schwierigkeiten dieser Arbeit, Gefasel über „plakative Leadsätze“, und ein ganzes Buch über die Nachricht, dass ich bitte lesen soll.
In der Redaktion weiß natürlich keiner was mit mir anzufangen. Also lächle ich freundlich vor mich hin. Dann gibt’s einen roten Ordner auf den Schreibtisch, 250 Seiten dick. „Unsere Bibel“ kommentiert ein Redakteur, „die lesen Sie jetzt und verinnerlichen sie.“
Aha.
Also arbeite ich mich durch die Abhandlung über Nachrichten, Teamarbeit und den ehrenvollen Journalismus überhaupt. Zwischendurch immer wieder Kommentare der anderen Redakteure: „Ach, Sie kommen von Herrn Buchholz – na, das sind Sie ja schon versaut“. „Wie, Sie lernen bei Herrn Buchholz – da müssen wir Ihnen ja alles neu beibringen“.
Im Ordner tausend Hinweise zu Wörtern, die man nicht benutzt. Keine Ahnung, wie ich mir das merken soll. Leider haben wir bei Buchholz nie besprochen, wie man Meldungen umschreibt.
Die Kollegen diskutieren über die Nachrichtenlage, in feinstem Dialekt, den ich schon nach zehn Minuten nicht mehr hören kann. „Ich han’s dir do gesaat“. Heinz Becker live, in Farbe und 24/7.
Der CvD: „Naja Frau Koch, heute produzieren Sie mal nicht, heute arbeiten Sie sich nur ins System ein“.
14.30 Uhr gucke ich dermaßen deprimiert und gelangweilt, dass der CvD Mitleid hat: „Okay Frau Koch, dann probieren Sie doch mal eine Meldung, wenn Sie sich das schon zutrauen“.
Ich schreibe ohne groß nachzudenken drauf los, der CvD guckt drüber und sagt: „Leute, ihr könnt die Produktion einstellen, Frau Koch übernimmt das jetzt.“ Nichts hatte er auszusetzen an meiner Nachricht, zehn Minuten später lief sie über den Äther.
Lernziel des Praktikums erreicht.

Sonntag, 29. Juli 2007

praktikantenblog 2.0

nachdem der meister das letzte blog in einem anfall geistiger umnachtung und mangelnder voraussicht gelöscht hat, hier die zweite version: neuer, schöner, besser. feuer frei für neue geschichten aus dem reich der ausgebeuteten jungakademiker! melde mich dann wohl erst im september wieder...