Montag, 1. Oktober 2007

Die journalistische Distanz

Hier kommt meine vorläufige Praktikumsbilanz: Ich bin desillusioniert und frustriert.
Am Freitag erschien die Oktober-Ausgabe, in der zum ersten Mal ein Stück von mir war. Wegen meiner Bett-Pause hatte ich die Texte von zu Hause geschickt und die Druckfahnen nicht gesehen. Allerdings hatte ich auch keine Rückmeldung bekommen, wie viel da so redigiert werden musste.
Nach der Standpauke vom Wolff nach dem Reiserecht-Servicestück hatte ich alle Texte penibel auf die sachgerechte Anwendung des Konjunktiv überprüft und war ganz stolz gewesen, dass ich daran mal gedacht hatte. In der Ursprungsversion wären mir die Texte in der Lehrredaktion schon allein wegen mangelnder journalistischer Distanz um die Ohren gehauen worden, von möglichen inhaltlichen und sprachlichen Fauxpas ganz zu schweigen.
Heute Morgen in der S-Bahn lese ich also zum ersten Mal meine Stücke - nur mal so pro forma, eigentlich hätte ich sie ja kennen müssen. Am Wochenende hatte ich mich erst mal nur über die schönen Bilder gefreut.
Und da haben die doch tatsächlich in der einzigen Geschichte, die ich für arbeitsprobenwürdig befunden hatte, alle Konjunktive rausgehauen und in Präsens umgewandelt! Ohne mir wenigstens mal Bescheid zu sagen, geschweige denn die Texte zum Gegenlesen zu schicken. Man mag es kaum glauben, aber ich war wirklich auf 180. Wozu höre ich mir denn in der Lehrredaktion so was an und verinnerliche das auch noch brav, um dann alle Grundsätze umgeworfen zu kriegen?!
Jetzt sitze ich seit fünf Stunden in der Redaktion, koche innerlich und denke drüber nach, wie ich das anbringe. Eigentlich sind die Redakteure nämlich ziemlich nett, und das macht es nicht einfacher. Entweder bringe ich das in meinem (voraussichtlich insgesamt ziemlich kritischen) Feedback am Ende des Praktikums unter oder ich geh nachher mal rüber und mache meinem Ärger Luft.
Hiermit betone ich ausdrücklich, dass die Leute bei Berlin maximal sehr nett sind, ich aber ein Praktikum dort niemandem empfehlen würde. Das gilt nicht für den Tagesspiegel, da würde ich jedem ein Praktikum empfehlen, wenn ich mir angucke, wie die Wirtschafts-Praktikanten behandelt werden.
Grrr.