Dienstag, 4. September 2007

Der Traum vom Berliner Mittelstand

So, nachdem ich für die kommende Ausgabe drei Themen bekommen hatte, stürzte ich mich voller Enthusiasmus in die Arbeit. Eine Betriebsbesichtigung bei Gillette war ja wegen der "hochgeheimen Technologien" etwas schwierig (zu organisieren), aber mit Charme, Demut und penetranten Anrufen konnte ich die Pressefrau überzeugen, mich reinzulassen. Ein Termin steht allerdings noch aus...
Thema 2: Die Sanierung ehemals öffentlicher Kitas durch freie Träger, die Finanzierung derselben und die Auftragsvergabe an Berliner Mittelständler. Ein Stück ohne Nutzwert für den Berliner Mittelstand darf es hier nicht geben. Ich hatte eine wunderbare Quelle, zwei Kästen und eine runde Geschichte - mit These! Ich war so stolz auf mich, dass ich endlich mal eine These hatte und dann auch noch überzeugt war, dass sie sich durchzieht. Wäre ja aber zu schön gewesen. Als ich angemeldet habe, dass ich einen redigierfähigen Beitrag hätte und den Ende der Woche abliefern würde, wurden plötzlich Zweifel der Chefredakteurin/des Terriers angemeldet (ich hoffe, Herr W. liest das hier niemals). Das Thema fänd sie ganz gut, aber Bildung wäre doch so ein abgegrastes Gebiet. Nee, also Kitas möchte sie eigentlich nicht erwähnt haben. Ich sollte doch mal andere öffentliche Einrichtungen suchen, die nach einer Privatisierung saniert würden, und dann sollte ich in den Artikel schreiben, was die demnächst alles bräuchten (Tische, Stühle, Maler, Teppich), damit sich die mittelständischen Unternehmen um die Aufträge bewerben könnten.
Klar, gerne doch. Wie jeder weiß, gibt es das große öffentliche Outsourcing, bei dem die Polizei, die Gewerbeaufsichtsämter, die Asylbehörden und alle Gymnasien privatisiert werden. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, über Sanierung und Finanzierung zu schreiben... Spinnt die? Es geht in der Geschichte nun mal einzig und allein um die Kitas, weil 2005 alle Berliner Einrichtungen privatisiert wurden, unter großem Protest. Das ist DAS Thema.
Waisenhäuser hat sie vorgeschlagen. Das funktioniert aber auch nicht. Erstens heißen die alle anders - Jugendhilfeeinrichtung, Kindernotdienst, Erziehungshilfezentrum und so weiter - sind also suboptimal zu finden. Und zweitens sind so gut wie alle in kirchlicher Hand, und die Kirche bekommt keine öffentlichen Gelder.
Jetzt bin ich frustriert. Da hab ich ein einziges Mal eine vernünftige These, und dann will die keiner wissen. Ich hab mir jetzt einen weiteren freien Träger mit Kitas gesucht; der betreibt aber außerdem ein Museum, ein Musikprojekt, eine Jugendfarm, ein Kinderrechtsprojekt, ein Kulturprojekt, ein Theater, ein Gartenhaus und zwei Abenteuerspielplätze, alle mit öffentlichen Fördermitteln. Den treffe ich heute Nachmittag, das muss reichen.
Na ja, und das dritte Thema (Ich-AG-Unternehmer nach Ablauf der Förderung) schwebt, weil der Terrier immer noch nicht gesagt hat, wie das laufen soll. Alles nicht so einfach.
Irgendwie ist das noch doofer als in der Lehrredaktion. Da weiß man manchmal zwar auch nicht ganz genau, was man schreiben soll, aber das, was man dann schreibt, wird wenigstens so akzeptiert. Hier läuft das so, dass man die Stücke zum Umschreiben zurückbekommt, wenn sie im Tenor nicht exakt den Terrier-Vorstellungen entsprechen. Ich bin gespannt...
Um noch die HÜ einzulösen: Es ist wirklich ein Traum, für und über den Berliner Mittelstand zu schreiben. Nee, tatsächlich ist das gar nicht so schlecht - wenn nur die Führungsebene nicht so anstrengend wäre...

3 Kommentare:

Die Edelfedern hat gesagt…

Ich weiß genau, was bei Gillette vor sich geht! Die arbeiten fieberhaft an einem Sechs-Klingen-Rasierer. Ein Phänomen, das ich schon seit etwa 10 Jahren erstaunt beobachte: Alle zwei bis drei Jahre schenkt Gillette der Welt eine zusätzliche Klinge. 2005 bekam ich in Leipzig ein Vier-Klingen-Highend-Produkt geschenkt, vor zwei Wochen drückte man mir in Köln die Fünf-Klingen-Sensation in die Hand.

Die Edelfedern hat gesagt…

Beide selbstverständlich batteriebetrieben, mit hautberuhigenden Mikrovibrationen. Alles sehr geheimnisvoll. Vergangene Woche erst habe ich zu Knautsch gesagt, da müsste man mal was drüber schreiben. Also bitte, bitte - schick mir den Artikel!

korrektur: koch hat gesagt…

Ach herrje, das klingt tatsächlich frustrierend.... nimm Dir das bloß nicht zu Herzen und denk immer dran, dass dort einfach Deine Fähigkeiten unterschätzt werden, denn eigentlich schreiben wir ja alle auf Spiegel-Niveau ;-)

PS: Kitas finde ich viel spannender als ein Mischmasch von Institutionen!